Musterfeststellungsklage oder "Sammelklagen"?

Die neue Musterfeststellungsklage für Verbraucher, für die sich VW-Geschädigte noch bis November registrieren können, hat grundsätzlich nicht die Folge, dass ein Geschädigter Schadensersatz sofort erhält. Es wird ggfls. nur festgestellt, dass VW ersatzpflichtig ist und die Verjährung wird unterbrochen.

 

Den individuellen muss der Geschädigte ggfls. selbst gesondert auf eigne Kosten einklagen. Insoweit ist die Musterfeststellungsklage nicht besonders sinnvoll. Sie bereitet lediglich eine Individualklage vor.

 

Es besteht allerdings eine Chance - besonders dann, wenn sich die Regierung doch noch eindeutig auf die Seite der Verbraucher stellt - dass es zu einem Vergleich mit VW kommt, von dem jeder Musterkläger profitieren würde.

 

Siehe hierzu auch den Focus-Artikel: https://www.focus.de/auto/news/abgas-skandal/2-5-millionen-betroffene-wie-sich-familie-goller-gegen-den-diesel-betrug-von-vw-zur-wehr-setzt_id_9668812.html


Richtige Sammelklagen von PKW-Käufern gegen VW gibt es weder in Deutschland noch in anderen Ländern Europas.´ Auch die US-Kanzlei Hausfeld (Rechtsanwalt Rother, Berlin) kann keine Sammelklage in Deutschland erheben. Die am 3.1.2017 eingereichte einzelne Klage eines einzigen VW-Geschädigten beinhaltet nichts wesentlich Neues. Gleichartige Schadensersatzansprüche werden bundesweit seit vielen Wochen von Rechtsanwälten geltend gemacht. Neu ist nur der Versuch, einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch zu begründen, ohne eine Nutzungsentschädigung zahlen zu müssen.  Es gibt in Deutschland bisher keinen Schadensersatzanspruch, der ohne Berücksichtigung von Nutzungsentschädigungen bzw. ohne Abzug "neu für alt" durchgesetzt wurde.  Ob sich aus dem Zusammenwirken mit EU-Vorschriften ein weitergehender Anspruch herleiten läßt, ist ungewiß und noch nicht vom BGH entschieden. Die ersten Einzelklagen der VW-Fachkreisanwälte wird den BGH in Kürze erreichen.

Allerdings darf man die politische Macht der Pressewirksamkeit der Hausfeld-Aktion nicht unterschätzen. Allein mit solchen Aktionen hatte die Kanzlei eine Vielzahl unerwarteter Erfolge. Juristische Argumente sind bei solchen Massenphänomen grundsätzlich nur Hilfsmittel. 

 

 

In Deutschland sind Einzelklagen für jeden Geschädigten verfahrensrechtlich unbedingt notwendig - auch wenn es für Anwälte und Justiz eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist und gleichartige Verfahren in erster Instanz gleich ausgeurteilt werden. Jeder muß seinen Anspruch einzeln , ggfls. bis zum BGH durchfechten, sofern sein Fall nicht vorzeitig rechtskräftig wird. Bei ähnlichem Sachverhalt kann es so zu unterschiedlichen Urteilen kommen. Jeder ist für seinen Fall selbst verantwortlich. Es gibt noch nicht einmal so etwas wie eine Musterklage  (sofern es sich nicht um Aktionärsklagen handelt).  

 

Echte Sammeklagen sind eine Eigenart des US-Rechtssystems. Auch Deutsche versuchen sich in den USA unter bestimmten Umständen mit Ihren Ansprüchen anzuschließen.

 

In Holland gibt es lediglich die Möglichkeit eines Vergleichsabschlusses im Interesse von Geschädigten. Der Vergleich kann dann auf Antrag beider Parteien nach gerichtlicher Prüfung auf Fairness und Effizienz vom Amsterdamer Appellationsgericht bestätigt werden, was eine Art "class action" nach US-Vorbild aber ohne Erkenntnisverfahren darstellt. Ob dieser Versuch von den Rechtsanwälten Baum & Reiter für Geschädigte in Deutschland Erfolg haben könnte wird sich erst noch Zeigen. Bisher konnten keine Erfolge vorgezeigt werden. Näheres siehe unter https://www.vw-verhandlung.de/ueber-uns/stichting-volkswagen-car-claim

 

Die europäischen Vorschläge eine echte "class action" nach US-Vorbild einzuführen, wurde von der gegenwärtigen Bundesregierung abgelehnt (111. Sitzung des Deutschen Bundestages v.26.5.11, S. 12650 A (TOP 31 c).

Die Bundesregierung (CDU/SPD) bremst grundsätzlich beim Verbraucherschutz:

http://www.sueddeutsche.de/politik/nach-vw-abgasaffaere-bundesregierung-bremst-beim-verbraucherschutz-1.3207581

Da helfen auch keine Forderungen der  Verbraucherzentrale Bundesverband:

http://www.deutschlandfunk.de/verbraucherzentrale-bundesverband-wir-fordern-die.697.de.html?dram:article_id=368783http://www.deutschlandfunk.de/verbraucherzentrale-bundesverband-wir-fordern-die.697.de.html?dram:article_id=368783

 

Jeder VW-Geschädigte muß seine Ansprüche in Deutschland selbst einklagen. Dies ist der einzige Weg seine umfassenden Ansprüche durchzusetzen. Wer eine zuverlässige Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, ist im Vorteil. Auch meine Kanzlei erhebt Klagen auf Neulieferung auch bei abgelaufener Garantie und bei abgelaufener Gewährleistung (hier Neulieferung ohne Nutzungsentschädigung), weil dies ein sehr weitreichender Anspruch im VW-Skandal ist, der die Geschädigten angemessen entschädigt. Gebrauchtwagenkäufer, die nicht bei einem Vertraghändler gekauft haben sind auf die Schadensersatzansprüche angewiesen wie sie in dem ganzen letzen Jahr massenhaft z.B. in Braunschweig geltend gemacht wurden - aller Wahrscheinlichkeit nach auch weiterhin unter Abzug einer Nutzungsentschädigung.

 

AUDI-Fahrer sind mit Ihrer Audi-Garantie zusätzlich besonders gut gestellt.  Siehe PNN-Bericht über die Audi-Garantie-Klage der Kanzlei Thomas Schmidt:  http://www.pnn.de/potsdam/1124362/

 

Sammelvertretung statt Rechtsschutz

In mehreren Ländern versuchen Geschädigte ohne Rechtsschutzversicherung ihre Interessen in unterschiedlichen Organisationsformen zu bündeln, um sich dann gegenüber VW vertreten zu lassen. Ob und ggfls. in welcher Form solche Organisationen klagebefugt sein könnten, muß dann im Einzelfall das angerufene Gericht entscheiden.                

 

Das neu Musterfeststellungsverfahren die u.a. der ADAC betreiben will, kommt viel zu spät und bringt den Geschädigten keine Entschädigung. Nach Jahren des Streits werden kaum noch Autos vorhanden sein, deren Besitzer einen Anspruch hätten. Und wenn doch, dann sind die Autos nur noch Schrottwert, so dass kein Raum mehr ist für eine Entschädigung. Es ist ein Verfahren, das grundsätzlich feststellen soll, dass VW schadensersatzpflichtig ist. Das ist nur gut für jeden der VW einzeln verklagt, denn nach der Feststellung muß jeder Betroffene sehen, wie er VW zwingen kann zu zahlen. Das wird wahrscheinlich nur durch eine neue individuelle, kostenträchtige und langwierige Klage möglich sein. Spätesten nach Beendigung der 2. Klage wird es keine Skandalautobesitzer mehr geben, die entschädigt werden müssen.

 

Der ADAC wird sich zudem wohl kaum die Sympathien von VW verscherzen und sich im Prozeß entsprechend verhalten.

 

 

 

Selbst die US Kanzlei Hausfeld konnte zwar Interessen in großer Zahl über das Unternehmen myRight bündeln, allerdings hat sich VW davon bisher nicht beeindrucken lassen, da in Deutschland Ansprüche gegen den Konzern unmittelbar grundsätzlich schwerer durchsetzbar sind als in den USA.

Eine erste Einzelklage gegen die VW AG wurde zwar von myright finanziert und dann erhoben, blieb aber bisher erfolglos vor dem LG Braunschweig (Az. 3 O 21/17). Die dort vornehmlich begründete  Haftung der VW AG in Höhe des vollen Kaufpreis - unabhängig von der Dauer der Nutzung des PKW -unmittelbar aus EU-Recht (was auch bei meinen Klagen hilfsweise immer geltend gemacht wird), wurde vom Gericht nach Pressemeldungen in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht bestätigt. Es besteht m.E. eine nur sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass Obergerichte dieser extremen Auffassung, die mit nationalem Recht schwer zu vereinbaren ist, folgen werden und diese Frage dem EuGH vorlegen werden, aber ein Versuch ist es wert.

 

Viel erfolgversprechender sind m.E. die Ansprüche gegen die Händler, die jedoch individuell  erhoben werden müssen und nicht massentauglich sind. 

 

Die Drohungen der Kanzlei Hausfeld sieht der VW-Vorstand bisher gelassen, auch wenn die Stuttgarter Nachrichten titeln "Der Mann, der VW zittern läßt" http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.klagen-gegen-volkswagen-der-stille-titan.f1d43a07-a210-4dc2-97ba-eee409105f5f.html

Gegen das angekündigte Klagebündel von 20.000 Einzelansprüchen wird sich VW verfahrensrechtlich relativ leicht zur Wehr setzen können. Aber vielleicht ist es dem Mann möglich, durch öffentlichen Druck mehr zu erreichen als über den Weg der Justiz. Zu wünschen wäre es ihm und den Geschädigten.
Die Justiz in Deutschland ist wegen der vom Volk begrüßten Sparmaßnahmen kaum in der Lage ist, zeitnahe rechtskräftige Urteile zu fällen. Fähige junge Juristen wenden sich von den finanziell unattraktiv gewordenen Justiz ab und gehen in die Wirtschaft, wo noch angemessene Gehälter gezahlt werden. Gekürzte Gehälter, reduzierte Pensionen und schlechteste Arbeitsbedingungen können niemanden reizen, in die Justiz zu gehen, wenn er es nicht unbedingt nötig hat. Dies erklärt wohl auch viele schlecht begründete Urteile im VW-Skandal zugunsten von VW, bei denen wohl die Hoffnung der Entscheider besteht, dass die höheren Instanzen die Sache schon regeln werden. 
Viele ältere Kläger werden die Rechtskraft Ihrer Urteile unter diesen Umständen wohl nicht mehr erleben. Deshalb ist der Kanzlei Hausfeld und der in Deutschland führenden Kanzlei Stoll & Sauer zu wünschen, dass sie die überheblich erscheinenden VW-Vorstände doch noch in die Knie zwingen. Leider war es bisher nicht möglich, diese beiden Kräfte zu bündeln, weil Hausfeld mit myright wohl zu sehr auf eigene Interessen bedacht ist .
Das durch eine Pleite der VW AG Arbeitsplätze in großem Stil verloren gehen, ist ein altes Märchen, denn die Konkurrenten stehen schon bereit, um in diesem Fall die Produktion zu übernehmen und damit  dürften die meisten Arbeitsplätze sicher sein, selbst wenn der Konzern aufgeteilt würde.
Die vom ADAC jetzt - viel zu spät -  vorgeschlagene Entschädigung von 5000 € pro Person, könnte VW sogar vor der völligen Pleite retten: http://www.t-online.de/auto/recht-und-verkehr/id_82163764/adac-fordert-5-000-euro-entschaedigung-fuer-dieselfahrer.html
Die relativ wenigen Einzelkläger in Deutschland müssten sich jedoch damit nicht zufrieden geben, sondern könnten ihr weitergehendes Klagebegehren - soweit noch nicht verjährt - (z.B. kostenlose Neulieferung oder Schadensersatz, der über die Erstattung des Kaufpreise hinausgeht) weiterhin verfolgen. Um positive Urteile zugunsten der Geschädigten zu vermeiden, erfüllt VW bereits jetzt die Ansprüche freiwillig, sofern das OLG zu erkennen gibt, dass es VW verurteilen würde (z.B. OLG Hamm und München).

VW-Verhandlung.de

Stichting Volkswagen Car Claim

Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, kann sich bei myright oder bei Stichting VW Car Claim bemühen. Es sollte allerdings die Bedingungen genau studieren.

Nicht dem Rückruf folgen

Wer auf die Kanzlei Hausfeld und myRight vertraut, sollte die Vertragsbedingungen besonders aufmerksam lesen. Auch das Risiko einer Drittwiderklage sollte beachtet werden (vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Stoll & Sauer: http://www.presseportal.de/pm/105254/3390493)

 

Rückrufaktion

Soweit der Rückrufaktion nicht gefolgt wird - ohne gleichzeitig gegen das KBA vorzugehen (Link s. unten) - ist dies risikoreich, da VW verpflichtet ist, dem KBA alle Verweigerer zu melden und das KBA nach internen Vorschriften die Pflicht hat, über die örtlich zuständigen Behörden, für den Entzug der jeweiligen Betriebserlaubnis zu sorgen. Das KBA ist in der Regel bei allen bisherigen gleichartigen Rückrufaktionen auch so verfahren. Lediglich aus politischen Gründen könnte unter dem Druck der Rückrufverweigerer anders verfahren werden, sofern Hunderttausende den Rückruf verweigern.

 

Der m.E. bessere Weg ist, unmittelbar gegen das KBA und die Landesbehörden und den TÜV vorzugehen, um sich gegen den Rückruf zu wehren.  Wer Rechtsschutzversichert ist sollte AUF KEINEN FALL DEM RÜCKRUF FOLGEN - Siehehttp://ra-schmidt.jimdo.com/verwaltungsgericht-schleswig-klage-gegen-r%C3%BCckrufaktion-des-kba/

 

Wenn gegen die Anweisung des KBA  oder die Bescheide der Zulassungsbehörden massenhaft Widerspruch eingelegt wird, muß die Politik tätig wohl endlich zugunsten der Geschädigten werden.

http://www.hausfeld.com/news/eu/kartelljurist-christopher-rother-wird-zum-1.1.2016-managing-partner-von-hau

https://www.my-right.de/?gclid=CIC8sPj7ps4CFU86Gwodc7kNOQ

MAZ vom 5.11.15, Ausschnitt aus der Titelseite:

US-Kanzlei Hausfeld - myright: 15374 Geschädigte haben Ihre Ansprüche im Wege einer Inkasso-Zession abgetreten und Klage erhoben

Die Bildzeitung berichtet am 4.11.2017 über die Erhebung einer Klage gegen VW mit der versucht werden soll, die 15374 Ansprüche VW-Geschädigter zu bündeln. Ob das Gericht diese Klage für zulässig halten wird, ist äußerst ungewiss, dann ähnliche Versuche sind in der Vergangenheit bereits gescheitert (siehe kritischen Beitrag der Rechtsanwaltskanzlei  Dr. Stoll unter  http://www.presseportal.de/pm/105254/3390493 ). 

 

 

 

 

 

Dennoch kann dem Rechtsanwalt Rother aus Berlin, der die Klage vertritt, im Interesse aller Geschädigten nur Erfolg gewünscht werden. 

Die Bildzeitung hat sich im VW-Skandal bisher ungewöhnlich sachlich und  positiv zugunsten der Geschädigten engagiert. Hier die Ausgabe vom 4.11.2017 als Ausriß: